Misstrauen ist ansteckend – so verbauen wir uns die Chancen auf Liebe:
In letzter Zeit erreichten mich immer wieder sehr „gegenläufige“ Nachrichten, wenn um das „Miteinander“ von Männern und Frauen geht, deren Folgen uns alle betreffen – egal, welche Meinung wir dazu haben.
Es ist nicht unbedingt etwas Neues, dass Druck immer Gegendruck erzeugt – und dass Misstrauen immer noch mehr Misstrauen erzeugt. Schon seit vielen Jahren bemerke ich diese Tendenz und ich habe leider sogar das Gefühl, dass es sogar noch stärker geworden ist: Männer gegen Frauen – was soll das bringen?
Worum geht es?
Viele Menschen, die sich – wie wir alle – nach Sicherheit, Geborgenheit und Angenommen-sein sehnen, fühlen sich nicht gesehen, nicht wertgeschätzt und respektiert und nicht gut behandelt von anderen Menschen.
Sie suchen daher Mittel und Wege, diese Ziele zu erreichen, Gehör zu finden, darauf aufmerksam zu machen.
Bis hierhin ist das eigentlich total nachvollziehbar, gut und richtig, oder?
Das Problem dabei ist, manche Menschen möchten ihre Ziele so sehr erreichen, dass sie die Grenzen anderer Menschen überschreiten. Und manche Menschen, die sich besonders schlecht fühlen ziehen so viel Aufmerksamkeit auf sich, dass man plötzlich glauben könnte, die ganze Welt sei schlecht.
Das Ergebnis ist: Verunsicherung, Schuldzuweisung und großes Misstrauen.
Und genau das sind die größten Hürden, das zu erreichen, was wir in Wahrheit wollen: Sicherheit, Geborgenheit, Wertschätzung, Zuneigung und angenommen werden.
Was heißt das konkret?
Schon seit langem gibt es eine Strömung einer vorwiegend weiblichen Bewegungen gegen Sexismus. Frauen sollen nicht benachteiligt, belästigt oder abschätzig behandelt werden, weil sie Frauen sind. Und das ist komplett nachvollziehbar.
Die andere Strömung ist die vorwiegend männliche Bewegung der sogenannten „Pick-up Artists“. Viele Männer möchten besser darin werden, bei Frauen anzukommen. Auch das total verständlich. Denn auch diese Bewegung hat in ihrem Kern eine gute Absicht: Sie will Männern zeigen, wie sie es durch geschickte Kommunikation, männliches, souveränes oder dominantes Verhalten erreichen können, Frauen kennen zu lernen und ihr Interesse zu wecken.
Beides durchaus verständlich. Nachvollziehbar. Sinnvoll.
Auch ich zeige in meinen Seminaren, wie man damit umgehen kann, wenn man sich z.B. mal „verflirtet“ hat und jemanden wieder los wird, wenn man sich unwohl oder belästig fühlt. Und natürlich zeige ich auch, wie man durch geschickte Kommunikation und ansprechendes Verhalten das Interesse seines Gegenübers weckt (übrigens für beide Geschlechter).
Dann gibt es allerdings auch vermehrt Strömungen, die ich mit Schrecken betrachte:
Frauen, die mit Männern nichts mehr zu tun haben wollen und sie als „die Wurzel allen Übels“ betrachten und deren Aktivität in Sachen „Gleichberechtigung“ sich offenbar lediglich auf Schuldzuweisung und Aggression beschränkt.
Männer, die so enttäuscht davon sind, dass sie bei Frauen nicht gut ankommen, dass sie sich organisieren und „Erklärungen“ dafür finden – und die Schuld ist natürlich bei den Frauen zu suchen: Frauen seien „hypergam“ – stets auf der Suche nach dem nächstbesseren Mann (oh liebe Männer, wenn ihr wüsstest!) und gut aussehende Männer würden den „Markt“ dominieren… Krude Abkürzungen wie „MGTOW“ (Men going their own way) sowie INCELS („Involuntary Celibate“ – unfreiwillig ohne Sex Lebende) geistern durchs Netz und finden Anhänger in verunsicherten Männern, die froh sind, dass sie jetzt endlich eine Erklärung für ihr Schicksal haben.
Wir Menschen lieben es, Erklärungen für Dinge zu finden unter denen wir leiden. Das ist die Grundlage jeder Verschwörungstheorie. Das Problem dabei ist: Das worauf wir uns fokussieren, wächst. Und die Erklärung bringt leider auf lange Sicht keine Besserung.
Globalisierung des Flirtens?
Aktuell entbrennt weltweit eine Diskussion um die #metoo Aktion, die in ihrem Kern ebenfalls absolut richtig und wichtig ist. Doch wo genau endet ein ungeschickter Flirtversuch und wo beginnt sexuelle Belästigung?
Für viele Menschen schwer zu beurteilen – denn das ist auch eine Frage der landestypischen Kultur und es ist in Frankreich ganz offensichtlich anders, als in den USA.
Das Video „10 hours of walking in NYC as a woman“ von 2014 zeigt etwa 6:30 Minuten lang eine attraktive Frau, die durch New York läuft und dabei von Männern angesprochen wird. Sieh selbst:
Ja, ein paar wenige Männer sind etwas „aufdringlich“ oder sagen nicht so charmante Dinge – doch sehr viele sagen einfach „Hey, wie geht’s Dir?“ oder „Hello Beautyful“ oder „Have a nice day“. Der Mann, der ein paar Minuten neben ihr herläuft ist schräg – aber vielleicht wusste er nicht, was er sagen soll und hoffte, dass sie ihm doch eine Chance gibt? Ja, das ist ungeschickt und dumm (also mach das nicht!). Alle diese Kommentare und alle Arten von Begrüßung und Ansprache wurden von den Machern des Videos als „Sexuall harassment“ also als „sexuelle Belästigung“ eingestuft.
Dabei ist es in New York absolut normal, wildfremde Menschen mit „How are you“ anzusprechen – ich habe das 2011 mit meinem Mann dort auch so erlebt.
Wenn das also bereits Belästigung ist – dann erwarten wir von anderen Menschen, dass sie unsere Gedanken lesen müssen und sich immer so verhalten müssen, wie wir es uns wünschen. Alles andere wäre ansonsten ja bereits Belästigung, richtig?
Was ich damit meine:
Auch wenn es vollkommen richtig und sinnvoll ist, sexuelle Übergriffe aufs schärfste zu verurteilen und wertschätzendes, aufrichtiges Verhalten einzufordern, geht es dabei um ein Miteinander – nicht um ein Gegeneinander.
Solche Videos bekommen sehr viel Aufmerksamkeit und führen eher dazu, dass wir die Wertschätzung und das Miteinander verlieren und das Misstrauen wächst.
Bevor ich näher auf die Folgen eingehe, von denen auch Du betroffen bist, möchte ich ein Gegenbeispiel geben, welche „Blüten“ auch die andere Strömung – die Pick-up Bewegung treibt:
Julien Blanc, der im Auftrag der Organisation „RSD Real Social Dynamics“ Seminare gibt, wie man Frauen „klarmacht“, hat ebenfalls einen Video-Kanal. Das Video aus Japan, wo er seinen Teilnehmern erklärt, dass es in Japan ziemlich zwecklos sei, ein Mädchen anzusprechen und er deshalb rät, die Mädchen einfach am Kopf packen und zu seinem Schwanz zu ziehen („head to dick“), ist inzwischen gelöscht.
In diesem Video kannst Du sehen, wie er versucht, Mädchen anzubaggern, indem er sie beschämt. In seinem Seminar erklärt er, das sei eine perfekte Methode. Und auch dieses Video ist inzwischen vom Netz… aber ich wage zu bezweifeln, dass sich seine Haltung dazu sehr verändert hat.
Und er ist nur einer von vielen, die derart menschenverachtende Ideen propagieren.
All das richtet für uns alle einen großen Schaden an:
Welche Folgen das hat:
Jeder Mensch sehnt sich auf die eine oder andere Weise (und in unterschiedlicher Gewichtung) nach Zuneigung, Bestätigung, Geborgenheit, Sexualität, Liebe, Nähe und so weiter. Die meisten Menschen möchten diese Bedürfnisse früher oder später durch eine Partnerschaft erfüllen.
Die meisten Frauen haben von klein auf Misstrauen gegenüber Männern gelernt – Sätze wie:
„Nimm Dich in Acht vor Männern!“
„Geh nicht mit fremden Männern mit!“
„Männer wollen nur das eine“
…sind im Kopf jeder Frau. Und: Frauen möchten nicht dumm angemacht werden. Sie möchten nicht mit einem Mann reden „müssen“, der ihnen nicht gefällt. Sie möchten nicht billig oder zu bedürftig wirken. Sie haben Angst, benutzt zu werden – und sie möchten auch nicht vergewaltigt werden.
All das führt dazu, dass Frauen – wenn überhaupt – oft nur sehr zögerlich Signale senden oder erwidern. Und dass sie sich schwer tun, zu zeigen, wenn ihnen jemand gefällt und auch nicht immer offen dafür sind, angesprochen zu werden.
Die meisten Männer sind in der Regel weniger misstrauisch und auch aufgeschlossener für eine Bekanntschaft – stehen aber vor dem Problem, dass ihre Zielgruppe – die Frauen – es meist eben nicht sind. Dementsprechend haben Männer Angst, abgewiesen zu werden und versuchen also eine Lösung dafür zu finden. Die erste Idee: Wie schaffe ich es, nicht mehr abgewiesen zu werden.
Angst, Misstrauen und ein Missverständnis
Die meisten Strategien zielen daher darauf ab, diese Angst zu überspielen und die Anzahl der Ablehnungen zu minimieren und dabei gleichzeitig die Frau zu dominieren und möglichst nicht emotional berührt zu werden.
Fast alle Pick-up Artist werben mit Slogans wie „Wie Du bei garantiert jeder Frau landest“ oder „Wie Du jede Frau rumkriegst“ bzw. „Wie Du nie mehr einen Korb bekommst“ und ähnliches.
Eine Frau würde niemals „Jeden Mann rumkriegen“ wollen.
Warum ist das für Männer so attraktiv?
Männer bewerten anders: Bei einem Mann ist die Attraktivität einer Frau als allererstes durch eine Frage beantwortet: Finde ich sie hübsch? Ja oder nein. Sein nächstes Kriterium wäre: Ist sie „erreichbar“ für mich? Ja oder nein.
Jedes weitere Kriterium wird erst wichtig, wenn das jeweils vorhergehende „bejaht“ werden kann. Und da Männer nicht fürchten müssen, für billig gehalten oder vergewaltigt zu werden, möchten sie eine Frau meist nach dem zweiten Ja bereits erobern können.
Nicht so bei uns Frauen:
Die Attraktivität eines Mannes setzt sich aus vielen kleinen Einzelteilchen zusammen – natürlich ist körperliche Attraktivität vielen Frauen wichtig, doch für eine Frau ist es häufig attraktiver wenn ein Mann „interessant“ aussieht, nicht einfach „schön“. Das kann durchaus gewisse „Makel“ beinhalten.
Ein Mann wird auch interessant durch seine Art und sein Verhalten. Er kann auch „Punkte sammeln“ bei ihr durch seinen Humor, durch Charme, oder bei manchen Frauen auch durch Geld, Macht oder Ruhm. Es ist wie bei einem Puzzle – und es dauert meist deutlich länger. Denn Frauen müssen erst einmal ihr Misstrauen überwinden.
Problem: „Männliches Konkurrenzdenken“
Wenn Frauen über Männer reden, dann reden sie fast immer über die Beziehung: Was hat er gesagt oder getan, wie hat er das wohl gemeint – welche Gefühle habe ich, welche könnte er haben und so weiter und so fort.
Wenn Männer über Frauen reden, dann hat das meist ähnliche Züge wie Gespräche über Fußball, Computerspiele, Technik, Autos etc: Da die meisten Männer in Männergesellschaften „konkurrierend“ kommunizieren (meins ist besser als deins), ist es, als ob Quartett gespielt würde. Reden Männer über Frauen, wird dieser Kommunikationsstil meist beibehalten, was dazu führt, dass Bewertungskriterien für die Frau her müssen.
Und so nehmen manche Männer das erste, für sie wichtigste Kriterium: Die äußerliche Attraktivität – und bewertet die Frauen in ihrem Aussehen von 1 (zum davonlaufen) bis 10 (in der Pick-up Szene das „HB“ – das „Hot Babe“).
Das alleine wird von den meisten Frauen als sexistisch, menschenverachtend und abwertend empfunden – ist aber im Grunde gar nicht „persönlich gemeint“, sondern hat mit der männlich geprägten Denkweise und Kommunikationsstruktur zu tun.
Das eigentliche Problem ist, dass Männer, durch dieses Bedürfnis des Vergleichs und der Konkurrenz dann auch dazu neigen, sich aneinander zu messen, wenn es um den „Erfolg bei Frauen“ geht. Schon lange fällt mir auf, dass es bei den meisten „Pick up Gesprächen“ überhaupt nicht darum geht, die Frau für sich zu gewinnen bzw. dass es überhaupt nicht um die Frau geht, sondern darum, wie viele Frauen ein Mann ansprechen kann und ob er dann besser oder schlechter ist, als seine Kumpels. Ungefähr so, wie bei einem Fußballspiel: Wer ihn öfter reingekriegt hat, gewinnt.
Dumm nur, dass man damit
- die Intimsphäre von (weiblichen) Menschen stört oder sogar zerstört
- (weiblichen) Menschen belügt und ihnen falsche Hoffnungen macht
- (weibliche) Menschen missbraucht
Die ungewollten toxischen Nebenwirkungen: Misstrauen
Nach und nach spricht sich das unter Frauen herum und die Frauen werden immer misstrauischer, denn sie wollen verständlicherweise nicht das „Opfer“ eines Pickup-Artist werden, der sie versucht auszutricksen, ins Bett zu quatschen und missbraucht, um vor seinen Kumpels angeben und/oder sein schwaches Ego aufpolieren zu können.
Das schürt die Angst und das Misstrauen und Frauen werden damit noch schwieriger ansprechbar.
Damit hat es dann ab sofort jeder Mann noch schwerer, selbst wenn er „ehrliche Absichten“ hat!
Die meisten Männer lässt auch die Sexismus-Debatte nicht kalt. Wenn „Hallo, wie geht’s Dir?“ jetzt bereits sexuelle Belästigung ist, wie soll man denn dann überhaupt noch eine Frau kennen lernen?
Die meisten Männer möchten nämlich keine Belästiger oder gar Vergewaltiger sein.
Bei vielen führt das dazu, dass sie in ihrer Haltung Frauen gegenüber eher „abwartend“ und zögernd sind, da sie auf ein „eindeutiges Zeichen“ der Frau warten, dass der Kontakt zu ihnen erwünscht ist.
Und da beginnt das Dilemma:
Die meisten Frauen würden sich eher den rechten Arm abhacken, als einem Mann ein „deutliches Signal“ zu geben oder zuzugeben, dass sie ihn attraktiv finden!
Und allen fehlen offenbar Ideen, wie sie echten Kontakt zueinander finden können, ohne dass sie sich blamieren. Und auch eine Art „Garantie“, dass der andere bei Interesse oder Desinteresse weiß, was zu tun ist.
Doch woher???
Als wäre es nicht ohnehin schon schwer genug einen passenden Partner zu finden – jetzt verhindern wir uns gegenseitig auch noch aktiv und geben uns noch mehr Grund für Angst, gegenseitiges Misstrauen und Vorurteile!
Reicht es nicht, dass Frauen von Natur aus ohnehin schon genug misstrauisch und wählerisch sein müssen?
Frauen wollen nicht von jedem dahergelaufenen Mann vollgelabert werden, sie wollen keinen Sex haben bei dem sie sich nur benutzt fühlen, sie wollen nicht vergewaltig werden und auch nicht gelangweilt. Das ist sicher verständlich.
Männer wollen keine Fehler machen, sie wollen sich nicht blamieren, sie wollen nicht abgelehnt werden und sich nicht zum Depp machen – und sie wollen bei ihren Kumpels gut dastehen. Das ist genau so verständlich.
Und eigentlich wollen beide Geschlechter doch dasselbe:
Sie möchten anerkannt, akzeptiert und respektiert werden. Sie wollen sich nicht verbiegen müssen und etwas darstellen müssen, was sie gar nicht sein wollen und auch nicht sind. Sie wollen sich sicher fühlen und gemocht werden. Sie wollen Spaß haben. Sich gut fühlen.
Es geht nicht darum, einen Weg um die Angst herum zu finden: Es geht darum zu verstehen, dass niemand von uns Angst haben muss. Misstrauen und Liebe passen eben nicht gut zueinander.
Es geht darum zu verstehen, was uns voneinander entfernt und wie wir das ändern können. Es geht darum, was wir gemeinsam haben und gemeinsam wollen und nicht was uns unterscheidet – aber es geht auch darum, das was uns unterscheidet, zu würdigen und Verständnis dafür zu entwickeln!
Wenn Du lernen möchtest, wie Du auf andere Menschen zugehst und „unpeinlich“ Signale sendet und auch erwiderst, empfehle ich Dir meinen Workshop „Komm in Kontakt“.
Wenn Du Zweifel hast, wann ein „Nein“ wirklich ein Nein ist und wie Du damit umgehen kannst: Schau Dir dieses Video an:
Ich freue mich auf Deine Kommentare.
Ich finde es gut, dass sich die Menschen mehr und mehr von einander entfernen. Und als mann möchte ich doch von den Frauen auch nicht für Kinder und Beziehungen missbraucht werden.
Darum bin ich lieber mgtow. Ja, ich sehne mich auch nach Menschen und Beziehungen aber ich springe lieber vor Einsamkeit von einer Brücke als weiter ausgegrenzt, verletzt, verlassen oder angewiesen zu werden.
Was Frauen betrifft, respektiere ich ihren Wunsch, alleine gelassen zu werden und tue das auch. Wenn ich Sex will, kaufe ich ihn und konzentriere mich sonst auf mich selbst, meine Geschäfte und Katzen. 🙂
Auf eine sinkende Geburtenrate.
Cheers!